Die EU-Taxonomie im Finanzsektor verstehen und umsetzen
17.09.2024
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Christina Anselm
Ein kürzlich veröffentlichter Blogbeitrag befasste sich damit, wie nicht-finanzielle Unternehmen die Herausforderungen der EU-Taxonomie-Compliance bewältigen können. Während die Anforderungen für diese Art von Unternehmen bereits ausführlich behandelt wurden, wurde der Ansatz für den Bankensektor bisher noch nicht thematisiert. Aufgrund der besonderen Anforderungen und Besonderheiten, die Finanzinstitute berücksichtigen müssen, wird in diesem Beitrag nun erläutert, wie die EU-Taxonomie im Bankwesen angewendet wird.
Green Asset Ratio (GAR)
Für Unternehmen fordert die EU-Taxonomie die Offenlegung des Anteils des Umsatzes, der Investitionsausgaben (CapEx) und der Betriebsausgaben (OpEx), die mit der Taxonomie übereinstimmen. Diese Kennzahlen bieten einen Überblick über die aktuelle und erwartete Übereinstimmung eines Unternehmens mit der EU-Taxonomie. Im Bankensektor hingegen liegt der Schwerpunkt auf einer anderen Kennzahl: dem Green Asset Ratio (GAR).
Der Green Asset Ratio (GAR) ist ein wichtiger Leistungsindikator (KPI) für Banken, der den Anteil der Vermögenswerte misst, die mit der EU-Taxonomie in Verbindung stehen. Konkret spiegelt der GAR den Prozentsatz der gesamten Vermögenswerte einer Bank wider, die in Aktivitäten investiert sind oder diese finanzieren, die mit der Taxonomie im Einklang stehen. Dieser Indikator umfasst die wichtigsten Kredit- und Investitionstätigkeiten der Bank, einschließlich Darlehen und Kredite, Schuldtitel und Aktienbeteiligungen. Der Zweck des GAR ist es, die Transparenz darüber zu erhöhen, inwieweit die Vermögenswerte einer Bank mit umweltfreundlichen und nachhaltigen Aktivitäten übereinstimmen, und gibt einen klaren Hinweis auf die Rolle der Bank bei der Förderung der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft.
Berechnung des Green Asset Ratio (GAR)
Die Berechnung des Green Asset Ratio (GAR) für Banken konzentriert sich auf bestimmte zentrale Finanz Vermögenswerte. Dazu gehören Kredite und Darlehen, Schuldtitel sowie Aktienbeteiligungen. Im Wesentlichen erfasst der GAR jene Vermögenswerte, die mit nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten in Verbindung stehen und spiegelt damit das Engagement der Bank für umweltbewusste Finanzierungen wider.
Allerdings werden nicht alle Vermögenswerte in die Berechnung einbezogen. Ausgeschlossen sind zum Beispiel Finanzanlagen zum Handel, kurzfristige Darlehen zwischen Banken und Engagements in Unternehmen, die nicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) berichten müssen. Auch Engagements gegenüber Regierungen, Zentralbanken oder supranationalen Emittenten fließen nicht in den GAR ein. Der Fokus liegt auf Vermögenswerten, die direkt zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen.
Banken verwenden die von anderen Unternehmen gemeldeten Daten – bei Unternehmen insbesondere den Anteil des ausgerichteten Umsatzes, der CapEx und OpEx – als Grundlage für die Berechnung ihrer eigenen KPIs und die Erfüllung ihrer Berichtspflichten. Diese Datenflüsse stellen sicher, dass Nachhaltigkeitsinformationen durchgehend und umfassend im Markt verbreitet werden.
Verschiedene Arten des GAR
Der Delegierte Akt zur Offenlegung (Verordnung (EU) 2021/2178) legt mehrere Kategorien des Green Asset Ratio (GAR) fest, die Banken berichten müssen. Jede dieser Kategorien bietet Einblicke in verschiedene Aspekte nachhaltiger Kreditvergabe und Investitionen.
GAR für Engagements in nicht-finanzielle Unternehmen: Dieser GAR bezieht sich auf die Engagements der Bank in nicht-finanzielle Unternehmen, die der CSRD und damit der EU-Taxonomie unterliegen. Er zeigt, wie viele der Aktivitäten eines Unternehmens mit der EU-Taxonomie übereinstimmen und inwieweit die Bank in umweltfreundliche und nachhaltige Geschäftsmodelle investiert.
GAR für Kreditvergabe und Aktienbeteiligungen an Finanzunternehmen: Diese Kategorie hebt die Rolle der Bank bei der Förderung von Nachhaltigkeit durch ihre Beziehungen zu anderen Finanzunternehmen hervor. Das Grundprinzip ist, dass diese Finanzunternehmen wiederum in nachhaltige Projekte investieren oder Kredite vergeben, wodurch die Bank ihren Einfluss auf die Nachhaltigkeit im Finanzsektor verstärkt.
GAR für Privatkundengeschäfte: Dieser GAR zeigt die Unterstützung der Bank für nachhaltiges Wohnen und Konsumverhalten ihrer Privatkunden. Er misst den Anteil der Privatkundenkredite, der in grüne Hypotheken oder Darlehen für den Kauf von Elektrofahrzeugen fließt. Dieser GAR unterstreicht das Engagement der Bank, nachhaltige Praktiken auf Verbraucherebene zu fördern.
GAR für Kredite und Darlehen zur Finanzierung von öffentlich gefördertem Wohnbau und anderen spezialisierten Krediten an öffentliche Behörden: Dieser GAR hebt den Beitrag der Bank zu den Nachhaltigkeitsbemühungen des öffentlichen Sektors hervor. Im Fokus steht, wie viel von diesen Krediten für Projekte verwendet wird, die mit der EU-Taxonomie übereinstimmen, wie beispielsweise nachhaltige Wohnbauprojekte oder umweltfreundliche Infrastrukturvorhaben.
Insgesamt bieten diese GAR-Kennzahlen einen umfassenden Überblick darüber, wie eine Bank ihre Kredit- und Investitionstätigkeiten mit den Zielen der ökologischen Nachhaltigkeit in Einklang bringt. Banken sind verpflichtet, den gesamten GAR für alle relevanten Vermögenswerte in der Bilanz sowohl für den Bestand als auch für den Zufluss offenzulegen. Zudem müssen Kreditinstitute ihren GAR nach Umweltziel und Art des Vertragspartners bereitstellen, um detaillierte Einblicke zu geben, wie verschiedene Segmente ihres Portfolios zur Nachhaltigkeit beitragen.
Ab 2026 müssen Kreditinstitute zusätzlich Vorlagen für KPIs zu Off-Balance-Sheet-Engagements, Gebühren und Provisionen sowie zum Handelsbuch-Portfolio erstellen.
Herausforderungen bei der Einhaltung der Vorgaben
Der GAR ist zwar ein effektives Instrument, um die Ausrichtung einer Bank an ökologischen Nachhaltigkeitszielen zu messen, aber seine Umsetzung bringt einige Herausforderungen mit sich. Eine der größten Schwierigkeiten besteht in der Datenerhebung. Banken müssen eine Vielzahl von Informationen sammeln, die möglicherweise bislang nicht erfasst wurden. Dazu gehören etwa Energieausweise (EPCs) für Hypothekendarlehen, Informationen zu ökologischen Auswirkungen finanzierten Projekte und die Branchenklassifizierung von Unternehmen. Da Schätzungen nicht zulässig sind, ist eine hohe Genauigkeit erforderlich. Somit müssen Banken eng mit ihren Kunden zusammenarbeiten, um die erforderlichen, verlässlichen Daten zu erhalten.
Eine weitere Herausforderung liegt in der Komplexität des Reporting-Prozesses. Die erforderlichen Vorlagen sind für Banken deutlich komplexer als die für nicht-finanzielle Unternehmen. Die detaillierte Struktur dieser Vorlagen verstärkt die betriebliche Belastung, da eine genaue Dokumentation und gründliche Überwachung erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorgaben zu gewährleisten.
Des Weiteren ergeben sich Herausforderungen bei der Vergleichbarkeit von GARs zwischen Banken. Beispielsweise erschwert die Ausnahme von KMU (kleinen und mittleren Unternehmen) aus dem Geltungsbereich der EU-Taxonomie den Vergleich. Dies stellt insbesondere kleinere und regionale Banken vor Probleme, die oft KMU finanzieren. Zudem können Unterschiede in der Art und Weise, wie Banken ihren GAR berechnen und berichten, zu irreführenden Vergleichen führen. So könnten Banken mit erheblichen Engagements in KMUs oder Nicht-EU-Unternehmen niedrigere GARs aufweisen, was jedoch nicht unbedingt ihre Nachhaltigkeitsstrategie widerspiegelt, sondern vielmehr die Einschränkungen der GAR-Berechnung.